Windenergie: Auf dem Weg zum 2%-Ziel

2025-06-25
Der Ausbau der Windenergie in Deutschland steht ab 2025 vor neuen rechtlichen Hürden, da die Politik von Bund und Ländern kollidiert. Dieser Blog untersucht, wie sich die neuen Vorschriften auf Projektgenehmigungen und -planung auswirken.

Aus Sicht einiger für die Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) zuständiger Behörden auf kommunaler und Landesebene hat der Deutsche Bundestag am 6. Juni 2024 einen Strich durch die Rechnung gemacht. An diesem Tag beschloss das Parlament die Einführung eines neuen Absatzes 1a in § 9 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Diese Regelung betrifft speziell Windenergieanlagen. Demnach muss die Behörde auf Antrag über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen entscheiden, wenn die vollständigen Unterlagen für die Genehmigung nach dem BImSchG noch nicht vorliegen, der Antragsteller aber ein berechtigtes Interesse an einer Vorabentscheidung hat.


Viele Windpark-Projektentwickler nutzen seitdem das neue Verfahren des „leichten Vorbescheids“, um unkompliziert die baurechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen amtlich bestätigen zu lassen. Insbesondere für Standorte außerhalb künftiger Windenergiegebiete haben sie sich in den vergangenen Monaten mit dieser neuen Möglichkeit Standorte gesichert, die nach Abschluss des aktuellen Planfeststellungsverfahrens der Raumordnungsbehörde ihren Vorrangstatus nach § 35 BauGB deutlich verlieren.


Dieser Praxis hat der Bundestag im Februar, in der Schlussphase der abgelaufenen Legislaturperiode, einen Riegel vorgeschoben. Nach der Neuregelung liegt kein „berechtigtes Interesse“ an einer Vorabentscheidung nach § 9 Abs. 1a BImSchG mehr vor, wenn der Standort außerhalb ausgewiesener oder geplanter Windenergiegebiete liegt.


Landesweite Ziele


Der Hintergrund: Mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) verpflichtet der Bund die Länder, bis spätestens 2032 durchschnittlich mindestens zwei Prozent ihrer Landesfläche für die Windenergienutzung auszuweisen. Ein Zwischenziel von durchschnittlich 1,1 Prozent soll bis Ende 2027 erreicht werden. Viele Länder wollen ihre endgültigen Flächenziele jedoch bereits zum ersten Stichtag am 31. Dezember 2027 festlegen, da sie ein stufenweises Vorgehen nicht sinnvoll finden.


Diese Flächenvorgaben, die die Länder nun durch eigene Gesetze an ihre Planungsträger weitergegeben haben, sind für die Steuerung des Windenergieausbaus von entscheidender Bedeutung. Bis diese Vorgaben erreicht sind, gelten Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB als vorrangig in den Außenbereichen zulässig. Nach Erreichen der Flächenvorgaben dürfen neue Anlagen jedoch nur noch in den für Windenergie ausgewiesenen Gebieten errichtet werden.


Übergangsphase


Diese Übergangsphase führte in einigen Regionen zu einer Flut von Anträgen auf immissionsschutzrechtliche Vorbescheide für Standorte außerhalb der geplanten Windkraftgebiete. Projektentwickler nutzten diese Gelegenheit, um sich vor Inkrafttreten der neuen Regelungen eine rechtssichere Position für ihre Projekte zu sichern.


Die Antragswelle, die die Genehmigungsbehörden aufstöhnen ließ und betroffene Kommunen und Lokalmedien vor einem „Unkontrollierten Wachstum“ von Windkraftanlagen beunruhigte, war besonders hoch in Regionen, in denen es in der Vergangenheit wenig Bemühungen um eine konstruktive Windenergieplanung gegeben hatte. Ironischerweise war sie aber auch dort hoch, wo die Ausweisung neuer Windenergiegebiete besonders ambitioniert vorangetrieben wurde. So etwa in Nordrhein-Westfalen, wo die schwarz-grüne Landesregierung das Verfahren bis spätestens Ende 2025 abschließen will, zwei Jahre früher als bundesweit vorgeschrieben. Bis Ende Dezember zählte die Landesregierung über 900 Vorbescheidanträge außerhalb der Entwurfsgebiete für Windenergiegebiete.


Nordrhein-Westfalens Sonderweg in der Windenergie


Nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster im September 2024 ein vorläufiges Einfrieren der Antragsflut auf Bezirksebene verhindert hatte, war es die nordrhein-westfälische Koalition, die sich beim Bundestag mit Nachdruck für die nun gelungene Änderung der Rechtslage einsetzte. Am 28. Februar 2025 trat die entsprechende Novelle des BImSchG in Kraft. Sie hebt § 9 Abs. 1a BImSchG, der das Verfahren des „leichten Vorbescheids“ überhaupt erst ermöglichte, weitgehend auf.


Das Verfahren steht weiterhin grundsätzlich nur für Repowering-Projekte zur Verfügung, also den Ersatz bestehender Windenergieanlagen durch leistungsstärkere Modelle. Die Änderung betrifft sowohl neu gestellte als auch noch nicht entschiedene Anträge auf Vorbescheide nach § 9 Abs. 1a BImSchG. Bereits ergangene Vorbescheide behalten jedoch ihre Gültigkeit, wie der Bundesverband WindEnergie (BWE) in einem Hintergrundpapier zum Thema betont.


Die nordrhein-westfälische Landesregierung hielt die auf ihre Initiative hin erfolgten gesetzlichen Eingriffe des Bundes jedoch für nicht ausreichend. Der Landtag in Düsseldorf beschloss daher ein deutlich weitergehendes „Windenergie-Moratorium“ (§ 36a Landesplanungsgesetz NRW). 


Dieses untersagt für ein halbes Jahr sämtliche Entscheidungen über Windenergieprojekte außerhalb der geplanten Windenergiegebiete. Das Moratorium gilt für vollständige Genehmigungsanträge und nicht nur für Vorbescheidanträge. Ausnahmen gelten lediglich für Repowering-Projekte und für Projekte, deren Unterlagen zehn Monate vor der Gesetzesänderung vollständig eingereicht wurden.


Windenergiegenehmigungen in Nordrhein-Westfalen


Nordrhein-Westfalen hat zuletzt deutlich mehr Genehmigungen für Windparks erteilt als andere Bundesländer. Die Windbranche zwischen Rhein und Weser läuft also gut, viele Unternehmen dürften das Moratorium daher gelassen verkraften. Für kleinere Projektentwickler gilt das jedoch nicht unbedingt. Der Branchenverband kritisiert daher den Stopp genehmigungsreifer Projekte mit vollständiger Dokumentation scharf: „In diese Projekte sind bereits erhebliche Investitionen im sechsstelligen Bereich geflossen.“ 


„Die Landesregierung untergräbt das Vertrauen in den Investitionsstandort Nordrhein-Westfalen“, sagt Bärbel Heidebroek, Präsidentin des BWE.


Mit der bundesgesetzlichen Regelung, die lediglich Vorentscheidungen betrifft, scheint sich der Verband inzwischen aber arrangiert zu haben. Auf Anfrage der Energiekommune erklärte BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm, dass die Ausweisung von Windenergieflächen auch in anderen Bundesländern gut vorankomme, sodass ihm die Neuregelung des Bundesgesetzgebers keine größeren Sorgen bereite.


Öffnungsklausel bleibt gültig


Trotz der Synchronisationsprobleme zwischen alter und neuer Rechtslage haben Gemeinden außerhalb der ausgewiesenen Windenergiegebiete bis zum 31. Dezember 2027 weiterhin die Möglichkeit, eigene Windenergieflächen auszuweisen. Hierzu können sie die kommunale Öffnungsklausel in § 245e Abs. 5 BauGB nutzen. Diese ermöglicht es Gemeinden, selbstständig zusätzliche Flächen für die Windenergie auszuweisen, auch wenn diese nicht unmittelbar mit den Zielen der Raumordnung vereinbar sind.

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